Musik

Konzertnervbirnen #6: Die Balladenpoger

Wir lieben Konzerte und verbringen unsere Abende gerne in der Gesellschaft Gleichgesinnter vor einer Bühne. Aber wir wollen euch nicht nur in Euphorie und Watte kuscheln. Deshalb stellen wir uns mit dieser Kolumne mal direkt neben die schlimmen Menschen, die einem auch das beste Konzert versauen können.

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In der sechsten Folge nimmt sich Miriam Wallbaum die Balladenpoger vor – die sich das in einem zünftigen Punk-Moshpit vermutlich nicht trauen würden, aber bei ruhigen Indie-Konzerten einen auf stark machen.

Ich bin klein. Gerade mal 1,60 Meter groß und dabei nicht gerade eine Wuchtbrumme. Daher muss ich, um bei Konzerten etwas sehen zu können, immer recht weit vorne stehen. Was auch eigentlich kein Problem wäre, wenn da nicht eine ganz spezielle Sorte von Konzertgängern existieren würde: die Balladenpoger.

Selbst bei ruhigeren Shows (ich erinnere mich gerne an einen Gig der französischen Band Phoenix im Jahr 2009, als ich noch zarte 15 Jahre alt war) kommen sie aus ihren Löchern gekrochen und machen dabei den umstehenden Personen das Leben schwer. Und dass, obwohl das wilde Umherspringen einfach null Komma null zu der gespielten Musik passt.

Um damals nicht mit Prellungen und blauen Flecken nach Hause gehen zu müssen, bat ich meinen Begleiter (der zum Glück groß war, aber auch nicht wirklich breit) sich auf die brenzlige Seite zu stellen und so das Geramme und Gequetsche von mir abzuschirmen.

Das funktioniert aber auch nur, wenn man vorher aufgepasst hat und sich schnell aus dem Bereich der stoßwütigen Meute entfernen konnte. Sonst kommt es durchaus vor, dass man plötzlich mitten im Kreis der Rempler steht und da so schnell auch nicht wieder rauskommt. Ein natürlicher Nebeneffekt des Gegeneinanderspringens und -schubsens auf Konzerten ist, dass man von dem, was auf der Bühne passiert, so gut wie gar nichts mehr mitbekommt. Als Musikliebhaberin, die Künstlerinnen und Künstler wegen ihrer Musik sehen möchte und nicht um mich mal wieder richtig auszutoben (das könnte man ja überall anders machen, zum Beispiel beim Sport), kann ich das einfach nicht nachvollziehen. Vor allem nicht bei ruhigen Shows.

Es ist ja vollkommen okay, wenn man zu einem Punk- oder Rockkonzert geht und dort seine überschüssige Energie in dieser Form rauslässt. Da ist man ja auch drauf vorbereitet, denn jeder, der schon mal auf solch einer Show war, weiß, dass Pogen dort ein häufig auftretendes Phänomen ist. Aber doch bitte nicht bei allen anderen Konzerten!

Generell verstehe ich es auch, wenn man von der Musik mitgerissen wird, tanzt und manchmal sogar vor Enthusiasmus rum hüpft, das passiert mir tatsächlich auch manchmal. Aber muss man dabei andere Leute schubsen und anrempeln? Es wäre doch für alle angenehmer, wenn jeder in seinem eigenen Tanzbereich bleibt und auf die Anderen Acht gibt.

Ein gepflegtes Miteinander. Oder – wenn man schon auf ruhigen Konzerten pogen muss- schaut, dass allen Menschen, die darauf keinen Bock haben, Zeit gelassen wird, um die Flucht zu ergreifen. Oder noch eine Idee: das Ganze einfach mal nicht direkt in der Mitte machen, sondern etwas abseits, wo es niemanden stört.

Wie schon die Atzen treffend festgestellt haben: „Disco Pogo, Dingelingeling, Dingelingeling. Und alle Atzen singen“. Pogo ist was für Atzen. Also grölende und betrunkene Menschen, die auf einem friedlichen, ruhigen Liebhaberkonzert nichts zu suchen haben. Also ihr lieben Balladenpoger und Atzen, überlegt euch doch bitte nächstes Mal, ob ihr eure überschüssige Energie nicht lieber wo anders rauslasst!

Alle Folgen der Kolumne „Konzertnervbirnen“ findet ihr hier.

Text: Miriam Wallbaum
Illustration: Alexandra Ruppert