Musik
Konzertnervbirnen #7: Too Cool Cats
Wir lieben Konzerte und verbringen unsere Abende am liebsten in der Gesellschaft Gleichgesinnter vor einer Bühne. Aber wir wollen euch in dieser Reihe nicht nur in Euphorie und Watte kuscheln. Deshalb gehen wir mit dieser Kolumne dahin, wo es wehtut – und stellen uns direkt neben die schlimmen Menschen, die einem auch das beste Konzert versauen können.
In der siebten Folge nimmt sich Constanze Kaul die Too Cool Cats vor, die jegliche Euphorie an sich abperlen lassen.
Ich liebe Konzerte! Da gibt es Momente, in denen mir einfach das Herz aufgeht. Mal ist das ein empowernder Pep Talk von Lizzo, mal diese besondere Intimität eines kleinen Clubkonzerts wie letztens bei Sam Fender im Auster Club, mal ein Acapella-Rap von Masta Ace, bei dem mir auch gleich der Mund aufging und die Kinnlade runterklappte. Es kann in diesen Momenten schon mal vorkommen, dass ich minutenlang wenig um mich herum mitbekomme und anschließend denke, der Rest des Publikums wird das doch mindestens genauso grandios gefunden haben wie ich. Oder? Ich erwarte dann Gejubel und tosenden Beifall und es passiert manchmal … nichts. Absolut nichts. Der Applaus kommt schwerfällig, keine Jubel-Pfiffe, keine strahlenden Gesichter wie meine.
Genau dann sehe ich sie wie Salzsäulen inmitten der Menge stehen: die „Too Cool Cats“, eine Gattung von Konzertgängern, die zu cool und abgeklärt für alles ist. Klatschen? Nee, lass mal. Lachen? Auf keinen Fall. Tanzen? Ach, jetzt hör doch auf!
Sie wirken, als hätten sie alles schon gesehen. Gelangweilt, abgestumpft und chronisch ‚unterwältigt‘ verharren sie mit ihren leeren Gesichtern, hängenden Schultern, den manchmal hochgezogene Augenbrauen und geschürzten Lippen. Ganz selten mal wird bei ihnen langsam und arrhythmisch der Takt mit dem Fuß mitgetippt, aber selbst das bleibt ein seltener Anblick.
Was mich bei den „Too Cool Cats“ am meisten stört ist diese unbegreifliche Lustlosigkeit. Die ist zwar nicht ansteckend, aber ein bisschen wie ein Furz, der uangenehm im Raum hängt: eigentlich tut er keinem was, aber drückt auf jeden Fall krass die Stimmung. Und wirft unweigerlich die Frage auf: Wieso geben sich Menschen ein Konzert, auf das sie ganz offensichtlich überhaupt keinen Bock haben? Ist es die Angst, was zu verpassen (kurz FOMO) oder das allseits bekannte Sehen-und-gesehen-werden? Oder steht neben jeder „Too Cool Cat“ vielleicht gar eine darauf beharrende bessere (vielleicht auch schlechtere) Hälfte, die einen mitgeschleift hat?
Ich bin sicher, jeder ist schon auf Konzerten gewesen, die sie oder ihn nicht gepackt haben. Entweder macht man es dann wie die „Too Cool Cats“ und langweilt alle mit seiner eigenen gelangweilten Attitüde oder zieht eben den Bands und den anderen Besuchern zuliebe seine Konsequenzen, die ich als Bitte an die Katzen rausschicken möchte: bitte geht doch einfach nach Hause oder stellt euch, wie jeder normale Mensch, still und heimlich in der letzten Reihe gepflegt einen rein. Herzlichen Dank!
Alle Folgen der Kolumne „Konzertnervbirnen“ findet ihr hier.
Text: Constanze Kaul
Illustration: Alexandra Ruppert